[Woche: 33/2024]
Wissenschaftlich untersucht – die regional-ökonomischen Effekte einer Großansiedlung in Wiedemar
Was würde eine Großansiedlung aus dem Hochtechnologiebereich der Gemeinde Wiedemar und dem Landkreis Nordsachsen wirtschaftlich bringen? Das fragen sich viele Menschen in der Region in den Diskussionen rund um das geplante Industrievorsorgegebiet. Eine von der Gemeinde Wiedemar in Auftrag gegebene Kurzstudie vom Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie IMW liefert erstmals eine wissenschaftlich fundierte Prognose anhand von drei möglichen Szenarien. Die zentralen Ergebnisse finden Sie in diesem Artikel.
Regionale Strahlkraft – für Nordsachsen und darüber hinaus
Ein allgemein starkes Argument für Großansiedlungen liegt in der Schubwirkung, die ein großer Investor auf eine Region hat. Im benachbarten Leipzig wurde dies durch die Eröffnung der Porsche- und BMW-Werke sehr deutlich. Der Schub kommt nicht von ungefähr: Große Ansiedlungen sind keine in sich geschlossenen Systeme. Für einen reibungslosen Betrieb vor Ort brauchen die Unternehmen eine Vielzahl an Vorleistungen und Vorprodukten, die meist regional niedergelassene Zulieferer und Dienstleister übernehmen.
So entstehen um große Ansiedlungen eigene Ökosysteme, von denen auch zum Beispiel IT-Anbieter, Reinigungs- und Gartendienste oder Catering-Unternehmen profitieren. All dieses Unternehmen schaffen eigene Arbeitsplätze und zahlen ebenfalls Gewerbesteuern. Und die Beschäftigten der Großansiedlung sowie der anderen Ökosystem-Partner generieren durch ihren Konsum weitere Umsätze und Steuereinnahmen.
Auf diese Weise ergibt sich ein großes Wertschöpfungspotenzial für die gesamte Region um ein großes Unternehmen. Für den Landkreis Nordsachsen hätte eine Großansiedlung in Wiedemar laut der Fraunhofer-Kurzstudie ebenfalls eine deutliche Schubwirkung:
Mehr finanzieller Spielraum für die Gemeinde Wiedemar
Stabile wirtschaftliche Strukturen sind für jede Gemeinde und Stadt von Vorteil. Je mehr Unternehmen und je größer die Branchen-Vielfalt vor Ort, desto mehr kann eine Gemeinde in die öffentliche Infrastruktur investieren und ihren Bürgerinnen und Bürgern eine lebenswerte Umgebung ermöglichen.
Auch die Gemeinde Wiedemar könnte durch höhere Steuereinnahmen mehr finanziellen Spielraum erhalten, um zum Beispiel in Zukunft stärker in die medizinische Versorgung oder in Angebote für junge und ältere Menschen zu investieren. Das Fraunhofer-Zentrum IMW sieht durch eine vollausgelastete Industrieansiedlung in Wiedemar – je nach Szenario – folgende Brutto-Steuermehreinnahmen:
Von diesen Einnahmen muss die Gemeinde noch ihren Anteil am solidarisch ausgelegten kommunalen Finanzausgleich sowie der Kreisumlage abgeben, so dass netto mit jährlichen steuerlichen Mehreinnahmen zwischen 22 und 42 Millionen Euro zu rechnen ist. Das sind doppelt bis mehr als dreimal so viel wie der heutige Haushalt der Gemeinde.
Dank einer Großansiedlung hätte die Gemeinde Wiedemar also wesentlich mehr Möglichkeiten, um nicht nur kommunale Pflichtaufgaben, sondern auch zusätzliche Vorhaben zu realisieren, die den Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen.
Auch vor dem eigentlichen Produktionsstart kann die Gemeinde mit zusätzlichen Steuereinnahmen rechnen – denn durch den Bau der Werksanlagen und neuer Wohnungen ergeben sich auch regional-ökonomische Effekte. Die folgende Grafik zeigt die prognostizierten Netto-Einnahmen für die drei Szenarien:
Auf welchen Methoden, Szenarien und Annahmen die Studie basiert
Abschließend noch ein Einblick hinter die Kulissen der Fraunhofer-Kurzstudie: Regional-ökonomische Studien beruhen auf Schätzungen, Annahmen, historischen Vergleichsdaten und beispielhaften Simulationen. Sie können demnach keine exakten Prognosen berechnen, weil einige Dynamiken der Zukunft wie Preisentwicklung, Arbeitsmarktparameter und makrowirtschaftliche Rahmenbedingungen nicht vorhersehbar sind.
Nichtsdestotrotz bieten diese Studien wissenschaftlich fundierte Voraussagen zur Nachhaltigkeit von Investitionsprojekten und geben einen groben Rahmen vor. Für die Kurzstudie zum Industrievorsorgegebiet Wiedemar simulierte das Fraunhofer-Zentrum die Ansiedlung eines Automobilwerks für elektrisch angetriebene Fahrzeuge – inklusive eigener Batterie- und Antriebsfertigung.
Warum? Weil die Autoindustrie von relevanter Bedeutung für die Gesamtwirtschaft ist, sich in einem grundlegenden Wandel befindet und viele Schnittstellen zu Hochtechnologiefeldern wie Chemie, IT und Robotik hat. Zudem liegen bereits zahlreiche Vergleichsdaten vor – in die IVG-Studie sind Daten aus sechs bestehenden Automobilwerken geflossen. Deshalb eignet sich eine Automobilfabrik als Referenz für das IVG gut.
Zur Berechnung der regional-ökonomischen Effekte kam das Input-Output-Modell “CEM-IOM” zum Einsatz, ein selbst entwickeltes Analyse-Instrument vom Fraunhofer Zentrum. Es bringt typischen Vorleistungen eines Werks mit dessen Produktionsleistung zusammen. Dabei wurden sowohl die Effekte vor dem laufenden Betrieb als auch die Auswirkungen nach dem Produktionsstart untersucht. Denn wie oben bereits erwähnt: Schon während der Baumaßnahmen ist mit Einnahmen zu rechnen.
Sie möchten die Fraunhofer-Kurzstudie im Gesamten lesen? Auf der Website der Gemeinde Wiedemar finden Sie die Studie als PDF-Dokument.